Am 4. Oktober wurden zwei Touristen in Dresden mit einem Messer angegriffen. Einer der Männer starb, der andere überlebte schwer verletzt. Am 20. Oktober nahm die Polizei den 20-jährigen Abdullah al H. H. als Tatverdächtigen fest und gab bekannt, dass dieser vorbestraft war und vom Violence Prevention Network beobachtet wurde.
Seither überschlagen sich die Schlagezeilen in den Medien über Terror, Islamismus und „Gefährder“. Am 23. Oktober berichtete die Tagesschau, die Innenminister·innen der Länder sowie Bundesinnenminister Horst Seehofer wollen vorurteilsfrei ein Ende des Abschiebestopps nach Syrien prüfen.
Ein solches Thema „vorurteilsfrei“ zu behandeln, erscheint uns angesichts der Aussagen aus Politik und Medien leider nicht mehr möglich. Das erkennt man bereits daran, dass der Tatverdächtige – wenn auch nicht wörtlich – bereits als Schuldiger behandelt wird. Nur weil der mutmaßliche Täter ein Geflüchteter aus Syrien ist, wird noch vor dem richterlichen Urteil über Abschiebungen nach Syrien diskutiert. Aktuell besteht allerdings noch keine Sicherheit zum genauen Tathergang, auch das Motiv ist unklar.
Doch unabhängig von der Schuldfrage ist die öffentliche Kommunikation während der Ermittlungen scharf zu kritisieren: Nicht nur, dass hier eine Verallgemeinerung stattfindet, diese Auseinandersetzung verstärkt darüber hinaus Befremdungen gegenüber dem Islam und schafft eine weitere Kluft zwischen „uns“ und „denen“. Die Worte des sächsischen Innenministers Roland Wöller (CDU) sprechen Bände: „Das Schutzinteresse unserer Bevölkerung muss höher bewertet werden als das Schutzinteresse Einzelner.“
Genau dieses Schutzinteresse Einzelner stand den Abschiebungen nach Syrien bisher im Weg. Aufgrund des Bürgerkriegs und des diktatorischen Durchgreifens Assads hatte sich die Innenministerkonferenz darauf geeinigt, niemanden in das Land zurückzuführen.
Wir wünschen uns, dass der aktuelle Status so beibehalten wird. Die Abschiebung einer Person in ein Kriegsgebiet ist nicht mit den Werten unserer freiheitlichen Demokratie und unserer Rechtsstaatlichkeit vereinbar. Gewalt oder Kriminalität muss mit den Mitteln eben jenes Rechtsstaates begegnet werden, unabhängig davon, wer sich eines Vergehens oder einer Straftat schuldig macht.