Von Anne Herpertz und Martin Schulte-Wissermann – powered by Johanna
In der letzten Sitzung in diesem Jahr war die Tagesordnung gut gefüllt. Als großes Thema schwebte über allem der Haushalt, aber auch andere Punkte hatten es durchaus in sich. Als Roter Faden durch die Sitzung zog sich, dass AfD, CDU, Team Zastrow und FDP/FB sich vorgenommen hatten, ausschließlich nur noch destruktiv zu sein. Immerhin hatte unsere PVP Fraktion (das erste P steht für PIRATEN) mit einer Aktuellen Stunde und einem Antrag für die Absicherung sozialer Projekte wenigstens konstruktive Beiträge zu Lösungsfindungen beigetragen – aber von da an ging es rapide bergab … Nun erstmal der Reihe nach:
Auftakt der Haushaltsdebatten
Der Stadtrat muss bald über den Haushalt 2025/2026 entscheiden. Im Haushalt ist festgeschrieben, wie viel Geld für welche Dinge ausgegeben wird. Ober- und Finanzbürgermeister Hilbert hat einen Vorschlag vorgelegt, welcher allerdings krasse Einschnitte vorsieht: so z.B. massive Kürzungen im Kultur- und Sozialbereich sowie eine unterfinanzierten ÖPNV. Daher droht ein Kahlschlag zum Beispiel bei der Kinder- und Jungendhilfe und der Schulsozialarbeit. Viele Initiativen und Vereine, die in diesen Bereichen tätig sind, fürchten nun um ihre Existenz. Bei der momentanen Zersplitterung des Stadtrats ist absolut nicht klar, wie es eine konstruktive und sinnhafte Mehrheit für einen sozialen und gerechten Haushalt geben könnte.
Um wenigstens Bewegung in die (öffentliche) Debatte zu bringen, hatte unsere PVP-Kooperation (Piraten-Volt-DiePartei) eine aktuelle Stunde zum Thema Haushalt beantragt. Unser Ziel war, dass mal alle Fraktionen ihre Positionen kundtun können und sich noch vor Weihnachten eine Diskussion um Lösungsmöglichkeiten ergibt.
Unser Max Aschenbach von DIE PARTEI machte den Anfang. Er kritisierte, dass die Stadt Einnahmen in Größenordnungen liegen lässt. Durch eine höhere Gewerbesteuer ließen sich z.B. 10 Millionen, durch eine höhere Grundsteuer sogar 20 Millionen zusätzlich einnehmen. Die Ausgaben für unnötige Großprojekte wie den Fernsehturm oder die BuGa will aber auch niemand anfassen. Max betonte, dass der Stadtrat jetzt handeln muss. „Reissen Sie sich zusammen, bevor im Sozialbereich alles zusammenbricht!“.
Alle Fraktionen sahen ein, dass es ein Problem gibt – aber zu konkreten Lösungen, wie denn Kürzungen verhindert werden könnten, wollten sich die wenigsten äußern. Die Aktuelle Stunde kann man sich hier in voller Länge anhören.
Soziale Projekte retten?! – „Ne, braucht man nicht und wir haben kein Bock“
Ein konkretes und wahrhaftiges Problem vieler sozialer Projekte ist, dass ihre Förderung schon jetzt zum 1. Januar ausläuft. Ohne weitere Förderzusagen müssen Räume und Menschen gekündigt werden und die Projekte werden faktisch zerschlagen. Ist erstmal soziale Infrastruktur kaputt, kann man sie nicht einfach paar Wochen später wieder anschalten. Daher hatte unsere Anne Herpertz zusammen mit Julia Hartl (SPD) in den letzten Wochen intensiv versucht, im Stadtrat Mehrheiten zu finden, die zumindest Teile der sozialen Infrastruktur retten.
Leider war in den geschlossen Block von CDU, AfD und co kein Reinkommen. Weder Bitten, noch Angebote, noch politischer oder öffentlicher Druck, noch der Apell an die Menschlichkeit konnten etwas ausrichten. Unser Antrag zerschellte genauso wie alle anderen Versuche, im Sozialbereich noch irgendwas zu retten. Der Stadtrat hat sich hier wirklich seine kalte Seite gezeigt – kein gutes Vorzeichen für die kommenden Verhandlungen zum Gesamthaushalt.
Der Irrsinn mit dem Volkspark Briessnitz
Auf dem ehemaligen Gelände des TJG in Cotta sollte mit Hilfe von Europäischen Fördermitteln (EFRE) der „Volkspark Briessnitz“ neu entstehen und dabei ein Werkstattgebäude hergerichtet und der Kreativwirtschaft zugeführt werden. Die Fördermittel dafür hätten allerdings noch in diesem Jahr beantragt werden müssen. Allerding wollten die CDU, AfD und co (rechter Block) das Werkstattgebäude nicht. Unser Piraten-Stadtrat Martin brachte es auf den Punkt: „Was hier passiert ist Realitätsverweigerung. Diese Vorlage ist nicht nur eine Idee, sondern schon fertig geplant. In zwei Jahren können der Park und das Werkstattgebäude fertig sein. Wenn wir das jetzt aber nicht beschließen, dann haben wir keine Chance mehr irgendwas zu machen. Denn 2/3 der Förderung kommen von der EU und die sind dann halt weg. Der Rest ist gebunden und dann auch weg. Dann sieht es in ein paar Jahren immer noch so aus wie jetzt. Das ist keine verantwortliche Politik.“
Leider ist es genau so gekommen – der Park wird nun nicht entstehen und das Werkgebäude gammelt weiter vor sich hin. Der Abriss des Gebäudes würde übrigens mehr Geld kosten als der städtische Anteil für eine Sanierung gewesen wäre. Realitätsverlust pur.
Keine Robotronkantine für Dresden
Die Sanierung und Nutzung der alten Robotronkantine als Ort der zeitgenössischen Kunst war eigentlich in Sack und Tüten. Die Stadt hat erst vor Kurzem die altersschwache und denkmalgeschützte Kantine gekauft. Für die Sanierung sollte nun die Stadt lediglich 1,5Mio Euro zahlen – den Rest der Gesamtsumme von 7Mio Euro wäre durch Fördergeld vom Bund (4Mio Euro) und durch eine großzügige Spende (rund 1,5Mio Euro) finanziert worden. Die Spende stammt von der Familie Arnhold, welche sich trotz ihrer Vertreibung durch die Nazis noch so sehr mit Dresden verbunden fühlt, dass ihnen Kunst und Kultur in Dresden einen Millionenbetrag wert sind. Die Stadt Dresden selbst hätte also nur ein Fünftel der Kosten getragen.
Eigentlich war also alles geklärt, die Handwerker hätten nach Neujahr angefangen – aber CDU, AfD und co wollten das nicht. Sie stimmten gegen die Sanierung der Kantine! Das heißt:D ie Fördergelder sind nun weg und die Spende muss wahrscheinlich zurückgegeben werden. Da das Bauwerk ein Denkmal ist, kann man es auch nicht abreißen. Und da in den nächsten Jahren niemand die notwendigen sieben (!) Millionen für eine Sanierung wieder aufbringen wird, wird das marode Denkmal nun auf Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte im Stadtraum stehen. Sachsenbad reloaded, möchte man da sagen – oder: Danke für nix, #niemehrCDU und #noAfd.
Keine Erhaltungssatzung für Fröbtau
Endlich nach jahrzehntelanger Gentrifizierung sollte in Dresden die erste soziale Erhaltungssatzung für ein Teilgebiet in Löbtau und in der Friedrichstadt eingeführt werden. Eine Erhaltungssatzung soll die lokale Wohnbevölkerung schützen, die Durchmischung erhalten und Verdrängung von bisher dort wohnenden (meist ärmeren) Menschen verhindern. Unsere Anne erläuterte, warum das nicht nur für die Mieter:innen, sondern auch für den städtischen Haushalt gut ist: „Eine Erhaltungssatzung macht auch aus finanzpolitischer Sicht Sinn – die vorhandene soziale Infrastruktur – Kindergärten, Begegnungsstätten, Schulen – müssen nicht für viel Geld an anderer Stelle, dort wohin verdrängt wurde, neu aufgebaut werden.“ Aber natürlich ist es so gekommen, dass der Stadtrat mit den Stimmen von CDU, AfD und co die Einführung einer Erhaltungssatzung abgelehnt hat. Ärmere Menschen und den sozialen Frieden im Stadtviertel zu schützen steht halt nicht auf deren Agenda.
Wagner Akademie absägen
Oberbürgermeister Hilbert hat sich ausgedacht, dass ein neues Konzerthaus (Richard-Wagner Akademie) am Königsufer eine tolle Sache sei. Vielleicht gibt es für einen solchen Plan Fördergelder, vielleicht gibt es für einen solchen Plan private Investitionen – ganz sicher aber würde ein solches Haus die Stadtkasse mehrere zig-Millionen Euro kosten.
In Wahrheit weiß aber niemand genaueres – es gibt auch keinerlei Unterlagen zu einer möglichen Richard-Wagner-Akademie. Die Idee eines Konzerthauses ist auch noch niemals irgendwo im Stadtrat diskutiert oder auch nur erwähnt worden.
Daher hatte die SPD einen Antrag eingebracht, erst wieder über ein Konzerthaus nachzudenken, wenn Hilbert seine Hausaufgaben gemacht hat und konkretere Informationen vorliegen. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen. Immerhin etwas, was nicht ganz schlimm an dieser Stadtratssitzung war.
Eine tiefergehende Auswertung mit Hintergrund-Informationen könnt ihr auch im PiratenCast #76 hören.