SBR-Bericht Cotta vom 26.09.2024: Lange Diskussionen, Geschichten in der Bibliothek Gorbitz und Bäume für die Deubner Straße

Stephanie, große Brille, blass, sitzt mit einem Laptop auf einer Bank in einem Park, dem Conertplatz. Neben ihr ein blau-gelber Ball.

Verfasst von Stephanie Henkel

Hörversion des Beitrags folgt.

Endlich war es am 26. September so weit: Wir hatten unsere konstituierende Sitzung im Stadtbezirksbeirat Cotta und ich durfte zum ersten Mal mit abstimmen.

Begrüßt wurden wir mit Sekt oder Orangensaft und kleinen Geschenktüten der Stadtverwaltung, in denen neben Stiften auch eine Version des Deutschen Grundgesetzes und der Sächsischen Verfassung beilagen, was ich eine wirklich nette Geste fand.

Doch bevor wir uns alle überhaupt vorstellen konnten, ging es direkt mit einem Änderungsantrag der AfD los. Damit alle wissen, wer hier denkt das Sagen zu haben. Denn die AfD wollte wieder nicht über die Bäume für die Deubner Straße reden. Der Vertagungsantrag wurde jedoch, wenn auch mit knapper Mehrheit, abgelehnt.

Danach haben wir uns alle vorgestellt, hier noch einmal die Zusammensetzung anhand der Sitzordnung im Saal und der Darstellung im Ratssystem:

  • Linke: 2
  • SPD: 2
  • PIRATEN: 1
  • Die PARTEI: 1
  • Grüne: 3
  • FDP: 1
  • Team Zastrow: 1
  • AFD: 5
  • Freie Wähler: 1
  • CDU: 4

Besonders spannend an dieser Zusammensetzung ist, dass die rechte bis rechtsextreme Seite jetzt sogar mit Frau Weber immerhin eine Frau im Boot hat und nicht wie vorher ausschließlich aus mittelalten bis älteren Herren besteht. Allerdings hat mensch von ihr nach der Vorstellung nichts mehr gehört.

Soziale Erhaltungssatzung für Dresden-Löbtau/Weißeritzknick und Dresden-Friedrichstadt/Altona

Inhaltlich ging es danach direkt mit einem großen Thema los: Dem Satzungsbeschluss für eine Erhaltungssatzung im Gebiet um Altlöbtau.

In einer umfangreichen Präsentation wurde uns die Satzung vorgestellt, zu der wir im Vorfeld viele Unterlagen zugeschickt bekommen haben. Ziel der Erhaltungssatzung ist es, die lokale Wohnbevölkerung aus städtebaulicher Sicht zu schützen und die Durchmischung zu erhalten und Verdrängung von ärmeren Menschen zu verhindern. Eine Erhaltungssatzung in dieser Form ist leider kein mietpreisliches Instrument und damit ein schwächeres Schwert als eine Milieuschutzsatzung oder eine Mietppreisbremse, aber lange besser als nichts, da sie ein Mittel gegen Luxussanierungen sein kann. Vergleichbare Erhaltungssatzungen wurden auch bereits in Leipzig und München in verschiedenen Stadtteilen getestet und die Vorliegende soll nun die Erste für Dresden sein.

Um heraus zu bekommen, ob das Gebiet für so eine Satzung überhaupt geeignet ist, wurde eine postalische Haushaltsbefragung mit einem ausreichend großen Datensatz durchgeführt.

Die Ergebnisse decken sich mit meinen Beobachtungen, da ich direkt neben dem untersuchten Gebiet wohne. Aktuell ist das Viertel sehr durchmischt was die Alters- und Einkommensstruktur anbelangt, aber doch zeigt sich, dass es ein eher gehobenes Einkommens- und Mietniveau im Vergleich zu ganz Dresden und dessen Durchschnitt gibt. Die Veränderungen sind deutlich zu erkennen, da es sich um ein Wachstumsgebiet handelt, mit viel Bevölkerungszuzug über dem Dresdner Durchschnitt und dieser Zuzug konzentriert sich vor allem auf Altbau-Wohnungen und es ziehen meist junge Familien und Paare, die ein wenig besser verdienen, in die Gegend. Aber insgesamt wird alles an Wohnraum nachgefragt und es gibt von Studi- und Azubi-WGs bis hin zu alleinstehenden Rentner*innen so ziemlich alle Wohnkonstellationen. Vor allem haben wir mit etwa 41 % der Befragten, die ein Einkommen unter dem Dresdner Durchschnitt haben, auch viele Leute, die eben nicht so viel Geld für ihre Miete übrig haben. Gerade für diese besteht ein verhältnismäßig hohes Verdrängungspotential, wenn wir nicht politisch eingreifen.

Nach der Präsentation wurde sehr wild diskutiert und es gab von abstrusen neoliberalen Quark der AfD, bis zu berechtigten Nachfragen von Grüne und FDP so ziemlich alles in der Diskussion. Am Ende hat es Katharina Hanser mit ihrem Plädoyer gegen Mieterhöhungen und für einen Erhalt der Durchmischung unseres bunten Nordlöbtaus gut auf den Punkt gebracht.

Kurz vor der Abstimmung habe ich die anwesenden Expert*innen auch noch einmal gefragt, was denn passiert, wenn wir als SBR Cotta ablehnen sollten. Darauf wurde mir geantwortet, dass das Gebiet ein Beispiel für eine Erhaltungssatzung in Dresden sein soll und dass es sich eventuell negativ auf zukünftige Erhaltungssatzungen in anderen Vierteln auswirken könnte.

Mit diesen mahnenden Worten gingen wir in die Abstimmung, die denkbar knapp ausging:

Dafür: 10 (Grüne, Partei, Piraten, SPD, Linke)

Dagegen: 10 (CDU, Freie Wähler, AfD, Team Auto und FDP)

Enthaltungen: keine

So viel zur Vorbildwirkung von Löbtau. Ein kleiner Hoffnungsschimmer, den ich am Donnerstag so leider nicht auf dem Schirm hatte: Der SBR Altstadt hat weiser entschieden als wir und die Satzung bereits angenommen. Nun wird der Stadtrat darüber entscheiden, ob es in Teilen der Friedrichstadt und Löbtau eine Erhaltungssatzung geben wird, oder nicht. Wir können also noch hoffen.

Tonie-Figuren für die Bibliothek Gorbitz

Nach zwei kleineren Förderungen für den Stoffwechsel e.V., die beide einstimmig angenommen wurden, hatten wir noch eine größere Förderung für die Stadtbibliothek Gorbitz auf dem Tisch. Es ging um etwas über 6.800 Euro insgesamt.

Bei Teil 1 des Antrags ging es um 800 Euro für eine Familienveranstaltung mit Lesung in der Bibliothek. Die Bibliothek Gorbitz ist sehr darum bemüht, vor allem Kinder und Familien mit ihren Veranstaltungen anzusprechen, was in einem so kinderreichen Stadtteil mit doch so wenig schönen Orten um sich auszutauschen, extrem wichtig ist. So gibt es regelmäßig sonntags Familienveranstaltungen und den Maker-Mittwoch, bei dem Kinder sich zum Beispiel mit Robotik, VR-Brillen und anderer Technik auseinander setzen können.

Teil 2 des Antrages drehte sich um die  Erweiterung des Medienangebotes um 290 Tonie-Figuren, 10 Tonie-Boxen und Zubehör für beides.

Wer die Figuren noch nicht kennt, es sind kleine Abbilder von beliebten Kinder-Held*innen, die auf eine Box gestellt werden können, die dann Hörbücher und Geschichten wieder gibt. Das Angebot erstreckt sich von Kinderbuch-Klassikern wie “Der kleine Wassermann” bis hin zu neuen Disney Geschichten wie “Kung Fu Panda”. Zudem gibt es auch “leere Tonies”, die selbst eingelesene Geschichten abspielen können. Auch von diesen möchte die Bibliothek einige anschaffen.

Auch wenn ich den Figuren mit etwas gemischten Gefühlen gegenüberstehe, da es sich bei ihnen um ein geschlossenes technisches System handelt und ich städtisches Geld prinzipiell lieber für freie Software ausgeben möchte, so hat mich das Gesamt-Konzept der Bibliothek überzeugt, die die Figuren auch zu medienpädagogischen Zwecken einsetzen, mit den Kindern Medienkompetenz üben und mit Rentner*innen ein kleines Projekt starten möchte, um die leeren Tonies mit Geschichten zu füllen. Auch weiß ich aus dem eigenen Umfeld, wie sehr Kinder diese Figuren lieben, auch, da sie direkt mehrere Sinne ansprechen. Die Kinder können nicht nur den Geschichten lauschen, sondern die Figuren beim Hören Anschauen und auch der haptische Sinn wird durch die Berührung und den Vorgang des Aufsetzens der Figur bedient.

Auch bindet sich die Neuanschaffung gut in das Gesamtkonzept der städtischen Bibliotheken ein. Neben der Bibliothek in Gorbitz wollen nach Aussage der Vertreter*innen noch vier oder fünf weitere Bibliotheken das Angebot mit Tonies erweitern. Gorbitz hätte allerdings die größten Pläne und hätte das Thema auch angestoßen.

Die Bibliothek konnte damit nicht nur mich überzeugen und der Stadtbezirksbeirat hat die Förderung für die doch sehr kostspielige Großanschaffung angenommen.

Bäume vs. Parkplätze auf der Deubner Straße

Wie auch in der letzten Sitzung, in der ich nur als Gästin dabei war, ging es auch dieses Mal wieder um die Deubner Straße, die östlich an den Neuen Annenfriedhof angrenzt. Da ich bereist in meinem letzten Bericht viel zu dem Thema geschrieben habe, möchte ich für inhaltliche Details an dieser Stelle auf diesen verweisen.

Wie zu erwarten war, hat die AfD direkt bei Beginn des Themas große Wellen geschlagen und behauptet, es hätte einen Beschluss des SBRs gegeben, dass es eine Bürger*innen-Beteiligung geben müsste, bevor wir noch einmal über das Bauvorhaben abstimmten. Das war eine Lüge, so einen Beschluss gab es nicht. Es wurde lediglich über eine Vertragung abgestimmt.

Auch muss hier der populistische Schachzug der AfD kurz beleuchtet werden, auch wenn ich nicht gern über sie spreche: Es ist absolut unüblich, dass es bei solchen Anliegen Befragungen gibt. Üblich sind ausführlichen Bürger*inneninformation, die auch geplant sind. Die AfD will bei diesem Thema nur mehr Bürger*innenbeteiligung, weil es ihnen gerade in den Kram passt. Aber bei anderen Sachen ist ihnen die parlamentarische Demokratie wieder recht und sie stimmen ab. Eine Befragung würde den Beschluss, der langsam wirklich eilt, verschieben, zusätzliches Geld kosten und wäre in der Umsetzung schwierig, da schwer auszumachen ist, wer eigentlich alles bei einer Straße neben einem Friedhof, der auch als Parkanlage genutzt wird, befragt werden müsste. Die Anwohner*innen der Deubner Straße? Menschen die noch zwei oder drei Straßen weiter wohnen? Alle in Löbtau? Alle in Dresden?

Ich bin sehr für mehr Bürger*innenbeteiligung. Aber an dieser Stelle wollte sich die AfD einfach nur hinter den Bürger*innen verstecken, um das Bauvorhaben so weit zu verschieben, dass es faktisch hätte scheitern müssen, da die Förderung nicht mehr in Anspruch genommen hätte werden können und Bäume nicht das ganze Jahr über gepflanzt werden können. Das ist schlicht und ergreifend blanker Populismus und der Versuch neue Ratsmitglieder zu beeinflussen.

Wir haben also noch einmal diskutiert, zum Beispiel hatte der Vertreter der Freien Wähler Angst, dass Südlöbtau zur Anwohnenendenparkzone wird, was ich persönlich sehr begrüßen würde, auch wenn es absolut unrealistisch ist, und die Vertreter*innen der Stadt haben uns noch einmal erklärt, dass wir die KFW-Fördermittel, die bereits fest verplant sind, zurück geben müssten, wenn wir die Bäume nicht wöllten und das Parkraumanalysen in Südlöbtau eine ausreichende Versorgung mit Parkplätzen feststellen. Eine der Vorsteller*innen hat auch sehr richtig festgestellt, entweder wir wollen jetzt das Geld für Löbtau, oder wir wollen es für andere Stadtteile, die auch gern mehr Grün bei sich hätten.

Nach ein wenig Whataboutism mit Nachpflanzungen auf der Flensburger Straße, die finanziell aus einem anderen Geldttopf kommen würden, aber für diese die zuständige Abteilung noch einmal angefragt wird und einem von Alexander Bigga von den Grünen beantragten Rederechts eines Anwohners der Rabenauer Straße (2 Querstraßen weiter), der sich mit solchen Sanierungszonen und Satelitenbildern auskennt und der noch einmal betont hat, dass es beim Thema Neupflanzung von Bäumen um das Thema Hitze geht und es sich bei der Deubner Straße um eine Hitzezone handelt, konnten wir allerdings immer noch nicht abstimmen.

Grund war, dass Herr Pinkert von der AfD schon wieder eine Vertagung beantragt hat. Die Verschleppungstaktik ging weiter, aber zum Glück nicht auf, da der Antrag mit acht Stimmen dafür, elf dagegen und einer Enthaltung nicht angenommen wurde.

Also stimmten wir endlich über die Bäume auf der Deubner Straße ab und es ist ein Wunder geschehen: Wir haben den Antrag angenommen! Mit zehn Stimmen dafür (die linke Seite + FDP), sieben Stimmen dagegen und drei Enthaltung haben wir es geschafft. Die Bäume für die Deubner Straße kommen!

Fernwärmeerschließung für Löbtau

Das letzte große Thema auf unserer Tagesordnung war die Fernwärmeerschließung für Dresden Löbtau. Da ich Fernwärme per se eher durchwachsen gegenüber stehe, vor allem, wenn sie zum Teil mit Gas betrieben wird, wie in Dresden, habe ich im Vorfeld mit meiner Piraten-Gang ein wenig darüber gesprochen. Was bei dem vorliegenden Antrag positiv ist, ist dass kein Anschlusszwang vorgesehen ist und sich das geplante Gebiet in ein Gesamtkonzept einpasst. Auch das Klimakonzept stuft Fernwärme immerhin neutral ein, Löbtau bietet sich baulich für Fernwärme an und wir bekommen dicke Fördergelder.

Auch wenn es an guten Alternativen mangelt und Fernwärme theoretisch für industrielle Abwärme genutzt werden könnte (dann muss es aber vermutlich wieder bauliche Änderungen geben), konnte ich nicht guten Gewissens zustimmen und habe mich bei der Abstimmung enthalten. Der Antrag wurde jedoch trotzdem mit 14 Stimmen angenommen.

Zum Abschluss haben wir noch über einen neuen Namen der 76. Oberschule Dresden abgestimmt und die Änderung angenommen und ein wenig über Finanzen und die zukünftigen Sitzungen gesprochen.

Nach fast 5 Stunden war dann die Sitzung doch irgendwann vorbei und es hat sich gezeigt, dass wir eine sehr spannende Dynamik im Rat haben. Dadurch, dass viele Einzelpersonen allein ohne weitere Vertreter*innen ihrer Partei dabei sind, gibt es extrem viele verschiedene Interessenlagen und es ist sehr von den einzelnen Individuen abhängig, wie Abstimmungen verlaufen. Auch gibt es keine wirklich klaren Mehrheitsverhältnisse.

Es wird also auch in Zukunft spannend. Ich werde euch weiterhin hier berichten und wenn ihr Vlogs mögt, schaut gerne auch in meinem Vlog zur Arbeit im Stadtbezirksbeirat Cotta vorbei, in dem ich locker von den Sitzungen und zusätzlichen Terminen berichte.

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