Monatelang haben EU-Kommission, -Parlament und der EU-Rat im sogenannten „Trilog“ hinter verschlossenen Türen an einem neuen EU-Urheberrecht gearbeitet.
Im Kern geht es dabei darum, die finanziellen Interessen der großen Medienkonzerne wie Springer, Bertelsmann und Sony/BMG gegenüber Betreibern von Internetplattformen wie YouTube, aber auch Blogs, Foren und Wikis, durchzusetzen.
Ausgetragen wird dieser Konflikt auf dem Rücken der Internetnutzer und Kreativen. Diese müssen nach dem aktuellen Entwurf mit erheblichen Einschränkungen rechnen. Das freie Internet wie wir es kennen, könnte zu einem „Filternet“ verkommen, in dem Plattformbetreiber darüber entscheiden müssen, was wir schreiben, hochladen und sehen dürfen.
Denn das geplante Gesetz schreibt Internetseiten und Apps vor, dass sie die von Nutzer*innen hochgeladenen Inhalte präventiv auf Urheberrechtsverletzungen prüfen müssen. Fast allen Plattformen, die Nutzerinhalte hosten, droht damit die Pflicht, Uploadfilter einzubauen.
Uploadfilter sind gefährlich für das freie Netz.
Sie richten sich direkt gegen netzkulturelle Phänomene, wie Memes, Youtube-Videos, Remixe und all den Spaß, den wir so lieben. Die Filter beeinträchtigen zudem das freie Wort. Zum Beispiel treffen sie Whistleblower, die geschütztes Material zur Aufdeckung von Missständen hochladen. Außerdem stärken sie die Macht der großen Konzerne gegenüber Newcomern. Doch das sind nur die unmittelbaren Auswirkungen.
Netz-Biotope sind bedroht.
Viele kleinere Plattformen können den technischen Aufwand für derartige Filter gar nicht leisten. Schier unendlich ist die Anzahl der urheberrechtlich geschützten Werke, gegen die jeder einzelne Upload geprüft werden muss. Sie werden daher gezwungen sein, die Filter an externe Dienstleister wie Google auszulagern. Und sie haften für den Inhalt der Nutzer.
Urheber*innen profitieren von dem aktuellen Gesetzesentwurf nicht!
In Deutschland gilt das „Leistungsschutzrecht“ bereits als gescheitert. Artikel 11 ist nun ein zweiter, europaweiter Versuch, großen Verlagen neue Einnahmen zu bescheren. Artikel 12 benachteiligt Autor*innen, Kreative und andere Urheber*innen durch Pauschalverträge. Und die Uploadfilter in Artikel 13 behindern die Arbeit Kreativer, anstatt diese zu schützen.
Upload-Filter machen Fehler.
Automatisierte Filter sind überhaupt nicht in der Lage, den Kontext von Inhalten einzuschätzen und daher sehr fehleranfällig. Sie können weder zwischen Urheberrechtsverletzungen und schöpferischen Adaptionen unterscheiden, noch zwischen Terrorpropaganda und Berichterstattung über Terrorismus. Die Plattform YouTube, die ähnliche Filter bereits auf freiwilliger Basis einsetzt, sperrte zehntausende Videos, die Kriegsverbrechen dokumentierten, weil in ihnen IS-Flaggen zu sehen waren. Zudem wächst die Empörung in der YouTube-Community über „false Copyright-Strikes“ schon seit Jahren und viele Channel haben geblockte Videos oder werden gar ganz gesperrt, obwohl die betreffenden Videos keine Urheberrechtsverletzungen beinhalten.
Meinung braucht keine Auto-Korrektur.
Die Einführung einer automatisierten Inhaltskontrolle legt den technischen Grundstein für eine mögliche Zensur- und Kontrollinfrastruktur. Was heute für die Durchsetzung von Urheberrechten genutzt wird, kann morgen schon für die Unterdrückung missliebiger politischer Meinung und Information genutzt werden. Sind die Uploadfilter einmal da, werden sie vielfältig eingesetzt werden. Die geplante EU-Verordnung gegen Terrorpropaganda ist da nur ein erster Schritt. Am Beispiel YouTube sehen wir dies schon in der Realität: Unternehmen lassen durch ihren Einfluss und das wackelige Copyright-System Videos sperren, die sie als „schädlich“ für ihr Image erachten.
Wir haben kein Vertrauen in Black-Boxes.
Die geplanten Uploadfilter werden massive Auswirkungen auf die Meinungs- und Pressefreiheit haben. Der Zivilgesellschaft fehlen dabei sämtliche demokratischen Kontrollmöglichkeiten, um Missbrauch zu verhindern, denn die Algorithmen der Filter sind nicht öffentlich einsehbar.
Aber wer denkt sich denn so etwas aus?
Auf den Weg gebracht hatte dieses Gesetz „Cyber-Kommissar“ Günther Oettinger (CDU), der Netzneutralität wahlweise mit Terrorismus oder Sozialismus vergleicht und auch sonst hauptsächlich durch unqualifizierte Äußerungen auffällt. Weiter vorangetrieben wird es aktuell vor allem von Axel Voss (CDU).
Beim letzten Versuch, das Gesetz durch das EU-Parlament zu bringen, stimmten nicht nur die konservativen Abgeordneten für den Gesetzesvorschlag, sondern auch Abgeordnete von SPD (16 zu 7), Grüne (6 zu 5) und FDP (1 zu 1).
Wir wollen uns nicht filtern lassen – es regt sich Widerstand!
Vor der finalen Abstimmung im EU-Parlament werden am 23.03. in ganz Europa Menschen für ein freies Internet ohne Zensur und Uploadfilter auf die Straße gehen.
Auch in Dresden wird es eine Demo geben: Treffpunkt ist 14:00 Uhr am Goldenen Reiter. Gerne könnt ihr euch bei unserem Facebook-Event anmelden.
Wir fordern die Abgeordneten des Europaparlamentes auf, die EU-Urheberrechtsreform in der jetzigen Fassung abzulehnen!
Unsere Kritik richtet sich dabei nicht nur gegen die geplante Urheberrechtsreform, sondern auch gegen jegliche Bestrebungen, unter dem Vorwand der Bekämpfung von Terrorismus oder Kinderpornographie eine umfassende EU-weite Zensurinfrastruktur aufzubauen (siehe geplantes Anti-Propaganda-Gesetz).
Informiert euch! Organisiert euch! Geht auf die Straße und zeigt den Politiker*innen der EU, dass wir nicht bereit sind, unsere Freiheit sang- und klanglos untergehen zu lassen!
Mehr Informationen findet ihr auch unter:
https://savetheinternet.info/demos
Update:
Hier noch ein paar Infos zur Demo (Zeiten, Strecke, Kundgebungen, Disclaimer)
Pingback: #SaveYourInternet - Demo am Sonnabend - Neustadt-Geflüster
Gibt es irgendwo Informationen über den Ablauf der Demo (z.B. geplante Dauer), wo man nicht seine Seele an Facebook verkaufen muss?
Ich habe ein Update zu Strecke & Zeiten in den Beitrag gesetzt 🙂