Es war ein Meilenstein in der Geschichte der LGBTQIA+Bewegung: Am 17. Mai 1990 streicht die WHO Homosexualität von der Liste der psychischen Krankheiten.
31 Jahre und viele weitere Meilensteine später feiern wir darum heute, am 17. Mai 2021, den Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit – meist abgekürzt mit dem englischen Kürzel IDAHOBIT.
Und in der Tat: Zwischen 1990 und 2021 hat sich viel getan, besonders hier in Deutschland. So durften gleichgeschlechtliche Paare seit 2001 eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen, 2017 folgte dann die Ehe für Alle, welche nun auch die gemeinschaftliche Adoption ermöglichte. Seit 2011 müssen sich Intersexuelle nicht mehr in das binäre Geschlechtersystem, also männlich oder weiblich, einordnen, sondern können ihr Geschlecht als divers definieren. Sogenannte „Konversionstherapien“ bei Kindern, also psychologische und pharmakologische Behandlungen zur Änderung der sexuellen Neigung zur Heterosexualität als „Norm“, wurden im vergangenen Jahr verboten und unter Strafe gestellt. Auch die öffentliche Präsenz von queeren Personen hat sich gewandelt, seien es trans-Schauspieler·innen, schwule Politiker oder lesbische Fernsehmoderatorinnen – vor 31 Jahren noch skandalträchtig, heute ein gewohntes Bild. Aber…
Ja, es gibt ein Aber. Auch in Deutschland wird der Kampf um Normalität noch immer ausgefochten.
Nehmen wir zum Beispiel die oben erwähnten Konversionstherapien. Deren Durchführung wurde zwar an Kindern explizit verboten, jedoch dürfen Ärzt·innen (und Laien!) weiterhin Erwachsene behandeln, wenn diese schriftlich ihr Einverständnis darlegen. Nun gut, werden manche sagen, wenn diese Menschen mit ihrer Sexualität nicht zufrieden sind, dann – Nein. Ja, es gibt Menschen, die beispielsweise darüber unglücklich sind, dass sie sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlen. Und ja, diese Menschen suchen sich dann vielleicht ärztliche Hilfe. Doch sollte diese „Hilfe“ dann darin bestehen, die Betroffenen dazu zu bringen, sich selbst zu verleugnen? Nein, eine gute Behandlung sollte zum Ziel haben, dass die Patient·innen sich selbst akzeptieren und mit der eigenen Sexualität umgehen zu können. Leider leben viele Menschen noch heute aufgrund ihrer sexuellen Neigung oder ihrer geschlechtlichen Identität in Angst und Scham.
Derlei Gefühle werden leider viel zu häufig auch durch Menschen des öffentlichen Lebens befeuert, sei es jetzt bewusst oder nicht. Allein aus den letzten Monaten sind uns gleich 3 prominente Beispiele aus Politik, Sport und Religion im Gedächtnis geblieben:
So antwortete der CDU-Politiker Friedrich Merz im September 2020 auf die Frage, ob er Vorbehalte hätte, wenn ein Schwuler zum Kanzler gewählt würde: „[…] Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft. […]“ [handelsblatt] Mit dieser unbedachten Äußerung unterstellte Merz jedem Schwulen einen Hang zur Päderastie. Diese Aussage ist besonders unangebracht, da es hier nicht um einen Fremden, sondern die Frage auf Merz‘ Parteikollegen Jens Spahn abzielte.
Im Februar dieses Jahres sprach dann Fußball-Weltmeister Philipp Lahm bei der Vorstellung seines neuen Buches Profi-Fußballern die Empfehlung aus, sich nicht zu outen, um ihre Karriere nicht zu gefährden. Obwohl diese Äußerung im Anschluss eine Menge Kritik erntete, gab es ebenso viele Sportler·innen, welche Lahms Rat verteidigten.
Kurz danach, im März 2021, sprach sich Papst Franziskus öffentlich dagegen aus, dass gleichgeschlechtliche Paare den Segen katholischer Priester erhalten dürfen. Trotz einiger Kritiken erhielt dieses Verbot große Zustimmung unter den Katholiken, auch in Deutschland.
Was haben diese 3 Aussagen gemeinsam? Die Antwort lautet Homophobie, beruhend auf Vorurteilen. Selbst Philipp Lahms Statement, welches Homosexuelle angeblich vor anderen homophoben Sportlern schützen solle, befeuert erneut das Mantra „Versteck dich! Verleugne, wer du bist!“
Wer nicht der heteronormativen Mehrheit angehört, erfährt Spott, Ablehnung oder Schlimmeres; so ist die Zahl der polizeilich erfassten Delikte gegen sexuelle Orientierung allein in Deutschland von 187 im Jahr 2010 auf 578 im Jahr 2020 angestiegen. Weltweit zeichnet sich ein deutlich ärgeres Bild:
So wurden bspw. homosexuelle Handlungen 2019 noch in 69 Ländern kriminalisiert, in sieben davon drohte sogar die Todesstrafe. In Polen wurden sogenannte „LGBT-ideologiefreie“ Zonen ausgerufen, angeblich um die Familie sowie die christlichen Werte in der Bevölkerung zu schützen. Ungarn machte es 2020 inter- und transsexuellen Menschen unmöglich, den Geschlechtseintrag in offiziellen Ausweisdokumenten ändern zu können… Diese Liste ließe sich leider noch fortsetzen.
Dies ist die Aufgabe des IDAHOBIT, nämlich genau solche Missstände aufzuzeigen und in die Öffentlichkeit zu tragen. Denn die Zugehörigkeit zur LGBTQIA+Community darf keine Rechtfertigung für Diskriminierung oder Kriminalisierung sein!
Wir Piraten gehen jedoch einen Schritt weiter, setzen uns auf allen politischen Ebenen für die Rechte von LGBTQIA+ ein und kämpfen gegen Queer-Feindlichkeit!
Diesen Kampf möchten wir weiterhin gemeinsam mit euch führen, sei es bei Demonstrationen wie dem CSD, bei Aufklärungsarbeit rund um queere Themen oder bei handfesten realpolitischen Themen.
Das ist ein Kommentar von Manuel Wolf [Twitter]