Christopher Street Day – so relevant wie lange nicht mehr

Es ist eine Kombination der Flaggen Progress Pride, Queerfeminismus und Disability Pride zu sehen.
Progress Pride, Queerfeminismus und Disability Pride | CC0

Wir haben das Privileg in einem Land zu leben, welches immer noch signifikanten Fortschritt bei geschlechtlicher und sexueller Vielfalt sowie Selbstbestimmung macht. Dieser Fortschritt wird jedoch immer lauter angegriffen durch reaktionäre Kräfte, die gezielt Hass und Angst vor queerem Leben sähen. LGBTQIA+ wird genutzt, um die Gesellschaft durch Trigger-Themen zu spalten und unsere Demokratie nachhaltig zu schädigen.

Auch international beobachten wir die Situation von queeren Menschen mit großer Sorge. Während in den USA die ersten Bücher brennen und ganz Europa ein Russland-gefälliger Rechtsruck droht, sägen rechte Populist*innen auch hierzulande immer mehr am Recht auf Asyl – welches auch queeren Menschen Schutz vor politischer Verfolgung bieten soll.

Da kann einem schnell die Lust zum Feiern vergehen, wenn die eigene Identität zur Brechstange zum Abbau von Menschenrechten gemacht wird.

Doch der CSD ist nicht trotz, sondern wegen dieser Zustände ein Ort, in denen Queers all den Mist hinter sich lassen können, um einfach nur zu leben und zu lieben.

Nur wird der CSD Dresden diesem Anspruch gerecht?

Queerfeindlichkeit auf dem CSD ist inakzeptabel

Wir Piraten verstehen den Christopher Street Days als Zeichen für die individuelle Freiheit zur Ausgestaltung der (sexuellen und gender) Identität. Es gibt mehr als zwei Geschlechter, Liebe ist überall dort, wo sie auf erwiderte Liebe trifft, Behinderte können queer sein und das Aro/Ace Spektrum gehört dazu!
Leider haben wir nicht mehr das Gefühl, dass der CSD Dresden einen sicheren Raum für alle bieten kann.

Wo große Ansammlungen an Menschen sind, werden Grenzen – egal ob bewusst oder unbewusst – überschritten. Viele Veranstaltungen organisieren hierfür ein Awareness-Team, das zum einen Aufklärungsarbeit leistet, zum anderen jedoch auch Betroffene unbürokratisch bei Diskriminierungserfahrungen unterstützt.

Der CSD hat dies leider nicht. Zwar gibt es eine umfangreiche Richtlinie zum Schutz vor sexueller Gewalt, die auch eine während der Veranstaltung erreichbare Beratungsstelle definiert. Diese deckt jedoch viele Formen von nicht-sexualisierten Diskriminierungen und Grenzüberschreitungen nicht ab und sieht auch keine proaktive Sensibilisierungsarbeit auf der Veranstaltung vor.

Für viele Menschen aus dem FLINTA-Spektrum überwiegt hier das Gefühl, dass Awareness fehlt.

Betroffene haben uns ebenfalls berichtet, dass sie von Ordner*innen aufgefordert wurden, von der breiten Community anerkannte Pride-Flaggen, nicht zu zeigen. Leider müssen wir diese Berichte im Licht von vorangegangenen Kontroversen um rechte Security und Umgang von Ordnerinnen mit Queers plausibel finden.

Wir kennen auch Situationen, in denen marginalisierte Menschen zu Diskriminierungserfahrungen Feedback geben wollten und denen nach einem einseitig konfrontativen Gespräch zu verstehen gegeben wurde, dass sie auf der Veranstaltung nicht erwünscht seien.

Aber selbst vor Diskriminierung wegen Geschlechtsidentität kann man auf dem CSD Dresden nicht entfliehen: Zum Beispiel haben nicht binäre Menschen einfach keine Toilette.

Insbesondere im Licht dessen fehlen uns konkrete Vorhaben und Informationen zum Umgang mit Diskriminierung auf dem Event sowie eine Erklärung zur Barrierefreiheit.

Wir erwarten von einer Parade der Vielfalt, dass Frauen, Inter, Trans und Nicht-Binäre nicht nur toleriert werden, sondern dass für deren Sicherheit auf der und durch die Veranstaltung gekämpft wird. Davon sehen wir einfach zu wenig.

Deswegen werdet ihr einige queere Pirat*innen auf dem CSD dieses Jahr nicht sehen.
Denn sie kommen nur, wenn alle Queers einen Grund und Ort zum Feiern haben!

Der CSD und der Umgang mit Kritik

Wir haben den CSD Dresden mit unserer Kritik konfrontiert und haben auf die meisten unserer Fragen keine befriedigenden Antworten erhalten. Das bestätigt Berichte von Betroffenen, die mit konstruktiver Kritik gegen Wände gelaufen sind.

Zum Teil ist das sicherlich ein Kommunikationsproblem: Zum Beispiel kümmert der CSD sich erfreulich gut um Barrierefreiheit und hat auch einen Beauftragten für das Thema. Leider jedoch keine Informationen dazu auf der Webseite, die im übrigen auch hinsichtlich technischer Barrierefreiheit Probleme aufweist. Eine behinderte Person weiß hier im Zweifel nicht, dass sie teilnehmen könnte oder müsste per Mail nachfragen.

Wir wurden auch um Verständnis dafür gebeten, dass es sich beim CSD Dresden um eine vornehmlich von Freiwilligen organisierte Veranstaltung handle. Allerdings setzt die Queer Pride in dieser Hinsicht vieles besser um, und das ohne erhebliche Zuwendungen der Stadt.

Der CSD hat sich explizit gewünscht, dass Feedback bei den öffentlichen Vor- und Nachbereitungstreffen angebracht wird. In eigener Kritik müssen wir hier eingestehen: Bisher haben wir nur selten Vertreter*innen zu diesen Treffen entsenden können und würden dies in Zukunft gerne ändern.

Warum die Piraten trotzdem am CSD24 einen Stand haben werden

Aus dem gleichen Grund, weswegen wir dafür gestimmt haben, dass Dresden ein „Sicherer Hafen“ bleibt, möchten wir dennoch auf den CSD gehen. Wir wollen unsere politischen Entscheidungen nicht am Ist-Zustand, sondern an unserer Vision für eine bessere Zukunft orientieren.

Wir werden den CSD nicht bewerben, wir werden keinen Party-Stand machen und wir lassen Missstände nicht unkommentiert stehen.

Es wird auf dem CSD einen klar politischen Stand von uns geben, an dem Kritik von Betroffenen und die Queer Pride Dresden, als ehrlich queer-progressive Veranstaltung, viel Raum haben werden. Natürlich gehen wir damit auf eine Veranstaltung, die ihrem Anspruch nicht gerecht wird, aber so werden wir viele Menschen erreichen, die trotz oder auch in Unkenntnis der Problematik hin gehen.

Wir möchten, dass die Fackel des Cristopher Street Day auch weiter in die Zukunft getragen wird. Und wenn das der CSD Dresden nicht schafft, müssen wir helfen.

Ein Schlusswort an die Community

Und ja, wir verstehen: Ihr möchtet feiern. Und das ist auch richtig so. Falls euch dieser Artikel ein bisschen die Laune daran verdorben hat, tut uns das leid, aber:

Bis der Verein dem Namen wieder gerecht wird, laden wir die LGBTQIA+ Community ganz herzlich auf die Queer Pride am 22. Juni ein. Da werden wir auch sein, und zwar mit vollem Herzen!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 
Nach oben scrollen