Bürgerbegehren? Ja bitte! Aber wenn, dann richtig.

Gestern gab es in der Stadtratssitzung eine Abstimmung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zur Wiedereinführung von vier verkaufsoffenen Sonntagen. Nach etwa zweistündiger hitziger Diskussion* folgten Rot-Grün-Rot-Orange der Vorlage der Verwaltung und erklärten es für unzulässig.

Um nachzuvollziehen, was unsere beiden Stadträte Norbert Engemaier und Martin Schulte-Wissermann dazu bewogen hat, gegen die Zulässigkeit zu stimmen, hier die wichtigsten Argumente:

1. Das Bürgerbegehren war kassatorisch (zur Begriffsklärung), denn es richtete sich gegen die Entscheidung des Stadtrates vom 12. Dezember 2014, nur noch einen verkaufsoffenen Sonntag im Jahr 2015 durchzuführen. Auch gestern setzten die Initiatoren und die entsprechenden Fraktionen ihren Schlingerkurs fort, indem sie dies teils bestritten und teils bestätigten. Dabei hatte Herr Zastrow (FDP) schon im Februar in der Sächsischen Zeitung dazu alles gesagt: „Wir wollen die Entscheidungen von Rot-Grün-Rot kippen.“ Auch die Bürgerentscheids-Formulierung auf der Webseite des neu gegründeten Vereins „Bürgerstimme e.V.“ macht deutlich, dass es um die Wiedereinführung der offenen Sonntage geht – ohne dass die Forderung etwa auf die Jahre ab 2016 beschränkt ist – wodurch sie keinem Ratsbeschluss entgegengestanden hätte. Stattdessen hat selbst Herr Hartmann, Vorsitzender des Vereins und Vertrauensperson, in seiner Rede gegenüber dem Stadtrat zugegeben, dass das Bürgerbegehren kassatorisch ist. Somit gilt nach Sächsischer Gemeindeordnung (an deren Regelungen die sächsische CDU und FDP ja direkt beteiligt waren) eine Einreichungsfrist von drei Monaten ab Bekanntgabe des Stadtratsbeschlusses. Es müssen 5 % der in Dresden lebenden Wähler unterzeichnen, was etwa 21.800 Stimmen entspricht. Die Frist lief am 12. März 2015 ab. Das Quorum wurde nicht erreicht und das Bürgerbegehren ist damit unzulässig. Der Entscheidungsspielraum des Stadtrates diesbezüglich ist gleich null, es sei denn man will die rechtlich zulässigen Grenzen überschreiten. Die Landesdirektion oder das zuständige Gericht hätten den Beschluss dann aber schon nach kurzer Prüfung aufgehoben.

2. Die Formulierung des Bürgerbegehrens war irreführend bis nutzlos. Der Entscheidungsvorschlag lautet: „Unter Beachtung der gesetzlichen Möglichkeiten werden in Dresden vier stadtweite, verkaufsoffene Sonntage im Jahr – davon zwei im Advent – wieder eingeführt.“ Was sind denn hier die gesetzlichen Möglichkeiten? Nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 Sächsisches Ladenschlussgesetz in Verbindung mit der entsprechenden Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts kann der Stadtrat entscheiden, dass die Voraussetzungen für bis zu vier stadtweite verkaufsoffene Sonntage vorliegen. Das aber heißt, dass selbst im Falle eines Bürgerentscheids dieser nur zu einer erneuten Befassung des Stadtrates geführt hätte. Dieser hat sich in seiner Zusammensetzung jedoch bereits im Dezember dagegen entschieden, weil er die Voraussetzungen für eine stadtweite Öffnung im Jahr 2015 nicht für gegeben ansah. (Siehe hierzu insbesondere die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Sonntagsöffnung )

3. Welche Quoren und Fristen ein Bürgerbegehren zu erfüllen hat, legt nicht der Stadtrat fest, sondern der CDU/SPD regierte Landtag durch die Sächsische Gemeindeordnung. Das heißt, für die CDU wäre es ein Leichtes, entweder Quoren zu senken oder dem Beispiel anderer Bundesländer zu folgen und den Unterschied in den Fristen zwischen kassatorischem und initiierendem Bürgerbegehren zugungsten der längeren Frist aufzuheben. Auch, dass EU-Ausländer_innen sowie Personen im Alter von unter 18 Jahren nach wie vor nicht das Recht gewährt wird, sich an Bürgerbegehren zu beteiligen, ist ein Anachronismus, der dem Bürgerbegehren geschadet und das Verfehlen des Quorums mitverursacht hat. Dass die PIRATEN sich schon länger dafür einsetzen, dass der Landtag hier nachjustiert, muss man wohl selbst der CDU nicht erst erklären – hoffentlich sieht auch diese den Bedarf jetzt ein.

Im Ergebnis war die Entscheidung des Stadtrates, dass das Bürgerbegehren das Quorum verfehlte, nur folgerichtig.

ABER: Es gab sowohl in der Vorlage der Verwaltung als auch durch den Ersetzungsantrag, welchen die CDU als Tischvorlage mündlich vorbrachte, den Antrag auf ein Ratsbegehren, welches wie das Bürgerbegehren zu einem leicht verschiedenen Bürgerentscheid führt. Ein solches erfordert auch kein Bürgerbegehren, sondern stattdessen das Erreichen eines Quorums von 2/3 der Stadträte und Stadträtinnen.

Obwohl der Entscheidungsvorschlag an den oben genannten Problemen krankte, stimmten unsere beiden Stadträte für das Ratsbegehren und scheiterten mit den Fraktionen CDU und FDP. Selbst wenn der Entscheidungsvorschlag nur zu einer Neubefassung des Stadtrates und nicht zwingend zu einer Veränderung geführt hätte: Wenn das vielleicht der Wille der Dresdner Bürgerinnen und Bürger ist, sollte man sie danach fragen.

Gescheitert ist diese Initiative letztlich am Gepolter von CDU und FDP. Statt im Vorfeld der Entscheidung auch nur das kleinste Gesprächsangebot an die anderen Fraktionen zu richten – etwas, das insbesondere, wenn ein 2/3 Quorum erreicht werden soll, trotz der sehr verschiedenen politischen Auffassungen üblich ist – haben es beide für sinnvoller gehalten, die Stadträte von RGRO und insbesondere den PIRATEN im Stadtrat niederzubrüllen. Es bleibt zu hoffen, dass CDU und FDP damit die Möglichkeit von Ratsbegehren (die auch RGRO nicht allein beschließen könnte) nicht auf Dauer beschädigt haben.

Wir würden uns wünschen, dass der Landtag endlich die zu hohen Hürden für Bürgerbeteiligung absenkt. Das bisherige Scheitern zahlreicher Bürgerinitiativen an diesen Hürden reichte nicht aus. Vielleicht hat die Landes-CDU jetzt ein Einsehen, nachdem sie selbst daran gescheitert ist – und das trotz der massiven Werbekampagne bei der wohl jede Bürgerinitiative vor Neid (und Geldmangel) erblasst.

* Die zusammengefassten Reden der Stadträte können hier  nachgelesen werden.

2 Kommentare zu „Bürgerbegehren? Ja bitte! Aber wenn, dann richtig.“

  1. Tja, wir haben ja beschlossen, dass wir den Ladenschluss abschaffen wollen.
    Wir hätten wenigstens eine Initiative starten können, jedem Stadtteil einen voSo zu gönnen. Nur City nur Advent – das ist nun gar nicht nach Piratenverständnis.

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