Liebes Tagebuch,
ab heute schreibe ich hier also – hoffentlich sehr regelmäßig – für dich immer Berichte über meine Sitzungen im Stadtbezirksbeirat Blasewitz. Am 28.08.2024 fand die erste und damit auch konstituierende Sitzung mit den neuen Mitgliedern statt.
Wie wahrscheinlich viele meiner Kolleg*innen betrat ich mit gemischten Gefühlen das alte Rathaus in Blasewitz. Natürlich freute ich mich auf die erste Sitzung, konnte mich nett mit einigen Mitgliedern schon vorher unterhalten, aber wusste auch, dass mich eine rechte Mehrheit erwarten würde. Auf so kleiner, lokaler Ebene spielt das oftmals eine nicht allzu große Rolle, aber manchmal eben schon – und beides würde sich auch bereits in dieser ersten Sitzung zeigen.
Das Vorgeplänkel
Konstituierende Sitzung bedeutet natürlich, dass alle erstmal ankommen müssen. Was sind Tagesordnungen, Geschäftsordnungen, Regeln und so weiter – besonders die „Neuen“ kennen das natürlich nicht, mich eingeschlossen. Wobei mir über 10 Jahre Parteiarbeit und viele organisierte Parteitage, Satzungsanträge und ähnliches wohl einen kleinen Vorsprung verschaffen. Ein Lob sollte auf jeden Fall für unsere Stadtbezirksamtsleiter, Herrn Barth, ausgesprochen werden. Es ist kein „typischer Beamter“, definitiv mit Herz bei der Sache und lebt die Demokratie, auch oder insbesondere im Kleinen. Ihm ist es wohl auch zu verdanken, dass wir neben Loschwitz der einzige SBR sind, der momentan seine Sitzungen live streamt. Und nicht nur das, es gibt sogar ein richtig tolles und teuer aussehendes Konferenzsystem, mit Mikros und Namen und digitalen Redelisten, sodass jede*r sehen kann, wer gerade redet und nicht nur das – in der Mitte der kreisförmig aufgestellten Tische steht eine 360°-Kamera, die automatisch auf das Mikro des aktuellen Redners dreht. Moderne Technik – ich bin schwer beeindruckt. Herr Barth fragte auch, ob wir damit einverstanden wären, dass er diese Sitzordnung wählte und keine parlamentarische Bestuhlung. Er wäre bestimmt schwer enttäuscht gewesen, wäre das der Fall gewesen – die teure Kamera hätte in so einer Konstellation wahrscheinlich nicht so gut funktioniert.
Es gab auch eine kleine Vorstellungsrunde, jede*r sollte seinen/ihren Beruf nennen, den bewohnten Stadtteil und den Grund, warum man im SBR sitzt. Sehr oft hörte ich dort Verkehr, Straßen, Spielplätze und sogar mehrmals Friedhof – die Vergabe von Mitteln an lokale Projekte und das Fördern und Bekanntmachen dieser wurden tatsächlich nur von zwei Personen erwähnt: Kollege Michael Kuhnert von der SPD und von mir. Dabei ist doch das eigentlich die Hauptaufgabe eines SBRs.
Die ersten Anträge
Das konnten wir auch schon an den nächsten Tagesordnungspunkten – nach dem eher weniger feierlichen „Amtsgelübde“ – sehen. Denn der Hauptteil bestand aus vier solcher Anträge.
Im ersten ging es dabei um Chor- und Bühnenpodeste für die Ev.-Luth. Kirchengemeinde Dresden-Gruna-Blasewitz. Es klingt wie der typischste der typischen Anträge, wie er wahrscheinlich schon hunderte Male in SBRs gestellt wurde. Die Summe von 3.837,00 € klang natürlich erstmal viel, jedoch konnte der Vorstellende (man möge mir bitte verzeihen, dass ich mir wortwörtlich keine Namen merken konnte) überzeugen, da diese Bühnen nicht nur innerkirchlich genutzt werden, sondern auch für verschiedene Veranstaltungen und sogar relativ moderne Bands und Künstler*innen, die dann auch kostenfrei angeschaut und gehört werden können. Mehr Kultur für alle, mehr gut, dachte ich mir, und stimmte dafür – der Rest des SBRs auch, und zwar einstimmig.
Viel Geld für Tennis
Als Nächstes kam der TC Blau-Weiß Dresden-Blasewitz e.V. an die Reihe. Es wurde um eine Fördersumme gebeten, ein neues Vereinshaus zu planen – nicht zu bauen, dafür würde später noch viel, viel mehr Geld benötigt (im Rahmen 1,5 bis 2 Millionen Euro), gefördert von Land und Stadt. Für die Planung sollte es erst einmal 35.343,00 € vom SBR geben. Nach einer kurzen Präsentation, in der auch das alte und noch funktionale, aber definitiv aus der Zeit gefallene Vereinshaus gezeigt wurde, ging es in eine Fragerunde. Überzeugen konnten die Antragsteller hier vor allem mit dem sportlichen Nutzen – denn der TCBWDDB, wie er auch liebevoll abgekürzt wird, betreibt unter anderem viel Seniorensport und sogar Rollstuhltennis, als einzige in Sachsen. Außerdem scheint er tatsächlich auch im Profisport ein Name zu sein und richtet regelmäßig Turniere aus, die zumindest deutschlandweit nicht unbekannt sind. So ein Turnier, die World Transplant Games, sollen im August 2025 zum Teil auch in der Anlage im Waldpark Dresden stattfinden. Die Antragsteller zeigten sich optimistisch, dass das neue Vereinshaus – behindertengerecht und ökologisch – bis dahin fertig sein könne. Bei allen überzeugenden Punkten fanden diesen die Anwesenden wohl am zweifelhaftesten. Nichtsdestotrotz stimmten die Anwesenden fast einstimmig – inklusive mir und bis auf eine Enthaltung – für den Antrag.
Teures Weihnachtsfest
Auch im nächsten Antrag ging es um viel Geld. 32.933,89 € für ein zweieinhalb-tägiges Weihnachtsfest standen zur Debatte. Ein Vertreter des Brückenschlag Blaues Wunder e.V., einem Verein von lokalen Händlern um jene Brücke, stellte den Antrag in der bisher kürzesten Zeit vor. Viele Fragen ließen natürlich nicht lange auf sich warten. Die Höhe und die Aufschlüsselung der Kosten konnten sich vielen von uns nicht ganz erschließen, wie zum Beispiel gut 4.500 Euro für „Weihnachtsbaum, Licht, Baustrom“. Ein Großteil der Kosten käme auch daher, so der Antragsteller, dass alle Zelte und Bühnen über Nacht wieder abgebaut werden müssten, da eine nächtliche Sicherheitsbetreuung noch teurer wäre. Ein Vorschlag von Carsten Biesok, nur das Geld für die Dekoration bereitzustellen, fand keine Mehrheit. Viele von uns wünschten sich wahrscheinlich ein schönes Weihnachtsfest für Blasewitz, etwas für Familien, etwas für den Stadtteil, doch der Preis schien sehr hoch für nicht einmal drei Tage Spaß. Es gibt aber auch Alternativen – so könnte man es nicht auf dem Schillerplatz stattfinden lassen, wo es dank des Markts und der Händlergilde teuer wird, keine Halle anmieten, anderes Entertainment buchen oder auf nur einen Tag kürzen. Letztere Maßnahme erschien mir dabei am ungeeignetsten, wenn gerade Aufbau und Materialien und Leihgebühren und der sonntägliche Markttag am teuersten sind. Nichtsdestotrotz entschied die Versammlung mit 14 Ja und 8 Nein-Stimmen, den Antrag zu verschieben und dem Antragsteller nochmal Zeit zu geben, diesen zu überarbeiten.
Aufreger zum Abschluss: Geld für politische Bildung
Der letzte Antrag schien auf den ersten Blick ein schnelles Durchwinken zu sein. Es ging dabei darum, dass eine Förderschule im Stadtteil mit stattlichen 300 € für eine Art Klassenfahrt unterstützt werden sollte. Vorgestellt wurde der Antrag von der betreuenden Lehrerin, aber auch vier Schüler*innen waren auf den Zuschauersitzen anwesend. Sie planten, für den neu gewählten Schüler*innenrat, bestehend aus 14 Personen, ein Wochenende in Radebeul zu verbringen. Dort sollten diese Schulungen über ihre Aufgaben als Räte, aber auch über Demokratie und ihre Grundwerte erhalten. Grundsätzlich also eine gute Sache müsste man meinen.
Jedoch stand in der Einleitung der Projektbeschreibung ein Satz, der einem Teil des SBRs nicht ganz so gut gefiel. Die Lehrerin schrieb dort von „populistischen und rechtsgesinnten Meinungsbildern der Eltern“, die auch die Kinder prägten. Und wen überrascht es, natürlich hatten die AfD-Politiker*innen ihre Probleme damit. Sofort wurde mit Begriffen wie „Indoktrination“ um sich geworfen, und ob die Lehrerin denn auch über Linksextreme reden würde? Natürlich werde sie das, antwortete sie sinngemäß, aber der Fokus würde auf der Bedrohung von rechts liegen, denn „Linksautonome“ wären in der Schülerschaft weniger das Problem. Für die schlagfertige Antwort erntete sie ein paar Lacher und die Auswürfe der AfD erhielten von den anderen Redner*innen auch viel Kontra. Als kleines Eingeständnis – was ich vor Ort aber nicht sagte – würde ich allerdings auch die Formulierung „rechtsgesinnt“ für unglücklich halten. Rechte im Sinne von „konservative“ Politik ist grundsätzlich nichts Schlimmes. Aber was genau damit gemeint ist, wurde durch ihre Vorstellung des Projekts und die Beantwortung der Fragen auch mehr als deutlich.
Letzten Endes konnten die AfD-Mitglieder sich darüber echauffieren, wie sie wollten – nur sie stimmten, zusammen mit einem Vertreter des Zastrow-Bündnisses, gegen Antrag. Der Rest des Beirats hielt zusammen und stimmten dafür. Ein winziger Erfolg für die Demokratie, 300 € für eine Förderschule, aber ein guter Anfang.
Im Rest der Sitzung ging es nur noch um informative Geschichten, diese können auch gerne im Ratssystem Dresdens nachgeschaut werden.
Damit will ich dich nicht langweilen, liebes Tagebuch. Wir sehen uns dann wieder, wenn ich meine nächste Sitzung hinter mir habe, die am 25.09.24 stattfinden wird. Und wenn du nicht auf den Bericht warten kannst, dann schau dir doch einfach unseren Livestream auf dresden.de an!